#35 ACONCAGUA, VALLE ELQUI
August 2022
Ein wenig außerhalb der Stadt Mendoza können wir schon die Cordillera erblicken. Auf genau diese Andenkette fahren wir jetzt zu. Die Straße steigt stetig an, bis sie in Serpentinen übergeht. Die Vegetation wird spärlicher, hohe Berge soweit das Auge reicht. Und mittendrin steht er wie ein steinerner Wächter – der König der Anden. Der Aconcagua. Mit seinen 6962 Metern gilt der Aconcagua als höchster Berg außerhalb des Himalaya-Gebirges. Aber ehrlich zugegeben sieht der Berg auf einer Höhe von circa 4.000 Metern dann doch nicht mehr so gewaltig aus wie zuerst angenommen. Bei einem knapp 7.000 Meter hohen Berg denkt man die Spitze nicht mal erblicken zu können, allerdings vergisst man dabei das man nicht auf 0 Meter vor dem Bergmassiv steht. Von der Nähe sieht er nicht mehr ganz so imposant aber immer noch wunderschön aus. 😊
Vorbei an einem Bergsteiger-Friedhof, kurz nach der argentinischen Grenze liegt an der Laguna del Inca der Ort Portillo. Hier befindet sich das höchste Skigebiet der Welt. Leider schmilzt der Schnee wegen der starken Frühlingssonne nur so dahin. Dennoch treffen wir ein paar Skifahrer an, die auf wackligen Beinen die Hänge runterrutschen und einige professionelle Bergsteiger die hier vor allem Höhentraining absolvieren.
Von Portillo geht es auf der anderen Seite wieder bergab. Mit jedem Höhenmeter dem wir sinken steigt die Temperatur. Hier auf der üppig bewachsenen chilenischen Seite befindet sich das Maipo-Tal mit seinen Obstgärten und Weinreben. Die Wolken entladen sich genau hier vor dem Bergmassiv, somit geht die argentinische Seite leer und trocken aus. Für uns ist es eine Wohltat nach der langen, staubigen Zeit im Süden Boliviens und im argentinischen Norden endlich wiedermal üppige Vegetation zu sehen.
Angekommen auf der chilenischen Seite trennt sich auch der gemeinsame Weg, den wir mit unseren brasilianischen Freunden zurückgelegt haben, die wir in Mendoza kennenlernen durften. Die zwei machen sich auf Richtung Küste, während wir uns entscheiden weiter in den Norden zu fahren. Als wir im Valle del Elqui ankommen bimmelt mein Handy und eine Nachricht nach der anderen poppt auf. Es sind unsere zwei Weggefährten, sie wurden Opfer eines bewaffneten Raubüberfalls an der Küste. Ziemlich verzweifelt schluchzt Silvana ins Telefon und teilt uns mit das alles Geld, Kreditkarten und der Laptop weg seien und die Reifen vom Fahrzeug aufgeschlitzt wurden. Glücklicherweise sind sie gesund und konnten Handy und Dokumente retten. Wir bieten den zweien an zu ihnen zu fahren und ihnen helfen Geld zu beschaffen und das Auto zu reparieren. Allerdings sind sie, nachdem sie den ersten Schock verdaut haben, sehr gefasst und meinen es alleine zu schaffen. Auch bei uns sitzt der Schreck tief und uns wird wieder mal vor Augen geführt das wir unglaublich vorsichtig sein müssen. Wir denken auf etliche Situationen gefasst und vorbereitet zu sein, aber auch dann kann man Pech haben.
Jetzt sitzen wir im Bus, überdenken nochmal unsere Sicherheitsvorkehrungen, planen unsere Route und ärgern uns über die Wolken am Himmel. Das Valle de Elqui ist ein Eldorado für Sternbeobachter. Heute Abend wollen wir eine Sternwarte besuchen, aber Petrus scheint uns einen Strich durch die Rechnung zu machen. Durch die saubere Atmosphäre und die klimatischen Gegebenheiten findet man hier den klarsten Himmel der südlichen Hemisphäre. Kein Wunder bei mehr als 300 Sonnentagen im Jahr, aber wir sind scheinbar an einem der anderen 65 Tage unterwegs. Die Unsicherheit die sich in meinem Bauch breit macht wegen der Schreck-Nachricht unserer Freunde, die weite Strecke die wir auf meinen Wunsch zurückgelegt haben um die Sterne zu beobachten und jetzt scheint hier nichts zu funktionieren. Heute ist der letzte Tag im Monat um den Himmel ordentlich zu observieren, ab heute nimmt der Mond und seine Helligkeit täglich zu. All das bringt mein Fass gerade zum Überlaufen. Das schlechte Gewissen nagt an mir, warum war ich so egoistisch und wollte unbedingt hier her? Flo wollte direkt nach Santiago fahren… Die Gedanken drehen sich weiter bis die erste Träne über die Wange purzelt. Flo und ich unterhalten uns bei geschlossener Bustüre, bis sich die Wogen ein wenig geglättet haben. Als wir die Türe öffnen trauen wir unseren Augen nicht – die Sonne scheint! Kaum zu glauben, vor einigen Minuten war der Himmel komplett bedeckt. Nennt mich naiv aber in diesen Momenten glaube ich an eine höhere Macht, an jemand der auf uns schaut, der auf uns aufpasst. Unglaublich aber wir haben wieder mal Glück. Wir sind einem Überfall entgangen, die Wolken verschwinden wir von Zauberhand von einer Minute auf die andere. Sind das alles nur Zufälle? Oder setzt mir die „Magie“ dieses Ortes zu, der so verbunden mit dem Universum wie kein anderer auf der Welt ist? 😊. Die Verbundenheit zum Universum ist wohl auch einer der Gründe der hier extrem vielen ansässigen Gesundheitszentren, in denen Meditation, Yoga, Reiki und andere alternative Heilpraktiken angeboten werden. Auch etliche UFO-Anhänger pilgern durch das Tal, um unbekannten Flugobjekten auf die Spur zu kommen. Aliens haben wir keine erblickt, allerdings konnten wir durch ein beeindruckendes Teleskop den Mond, Jupiter, Saturn mit seinen Ringen und etliche Sterne sehen. Das Bild vom Mond habe ich mit meinen billigen Huawei-Handy und seiner miserablen Kamera geschossen, trotz allem finde ich es erstaunlich scharf (für die angegebenen Umstände und die Entfernung zum Mond).
In der Gegend um das Valle del Elqui befinden sich etliche Sternwarten, darunter auch viele Wissenschaftliche Zentren. Hier wird aktuell das größte Teleskop der Welt gebaut, das European Extremely Large Telescope (ELT) mit einem Durchmesser von unglaublichen 39 Metern. Neben den vielen Teleskopen wurden hier am Rand der Atacama-Wüste auch einige Antennen errichtet um Signale zu empfangen und zu versenden. Alles unglaublich spannend. Und uns wird vor Augen geführt wie „blind“ wir meist auf den Himmel blicken.
An diesem Abend lernen wir noch einen ehemaligen Schweizer-Hotelier kennen, der eigentlich für 2 Monate nach Chile wollte aber schlussendlich 3 Jahre geblieben ist. Er hat sein Hotel verkauft und lebt nun hier im Elqui-Tal. Peter, ein cooler, ziemlich durchgebrannter Typ der uns aufs schärfste von der Gastronomie abrät. Ob ihn wohl auch eine höhere Macht zu uns gesendet hat um diese Nachricht zu übermitteln? Ich denke in Braz würde man diese Ansicht abstreiten 😊. Immer wieder erstaunlich an welch abgelegenen Orten wir deutschsprachige Menschen kennen lernen. Nach einer besonderen Zeit in diesem schönen Tal, den Planeten, Sternen und den Gedichten von Gabriela Mistral in deren Geburtsort wir übernachten, machen wir uns auf Richtung Küste.
Das Nächste Ziel ist La Serena und Coquimbo. In diesen unaufgeregten Küstenstädten verbringen wir eine Woche. Wir finden einen sicheren Abstellplatz und müssen nur die Straße überqueren um ans Meer zu gelangen. Es gibt nicht viel zu unternehmen also verbringen wir Stunden damit den Pelikanen zuzuschauen wie sie den Fischern ihren Fang klauen. Zwischen den Pelikanen tummeln sich noch etliche Möwen und andere Wasservögel. Wunderschön anzusehen, aber dennoch eine permanente Bedrohung von oben. Zum Glück hat sich keine Möwe auf unseren Häuptern entledigt. Auch dieses vermeintlich kleine Glück schätzen wir. 😊
Verrückt. Wir haben jetzt innerhalb von 600 Kilometern zuerst die Wüste, dann den höchsten Berg der Anden und zum Abschluss das Meer gesehen. Von 800 Höhenmetern auf 3900 wieder runter auf 0 Meter. Ach, eigentlich können wir uns trotz der manchmal grauen Momente sehr dankbar und glücklich schätzten diese vielfältige, manchmal verrückte Reise erleben zu dürfen.
Aconcagua, Grenze Argentinien - Chile













Valle del Elqui, Vicuna








Coquimbo, La Serena











