#31 SALTA
August 2022
Wir machen uns auf in das Städtchen Villazón (Bolivien) um die Grenze nach La Quiaca (Argentinien) zu überqueren. In dem bolivianischen Ort wuselt es regelrecht, wir können uns schwer orientieren und schlängeln uns an etlichen Fahrzeugen vorbei die kreuz und quer auf der Straße parken. Als wir am Ende des Ortes angekommen sind werden wir von einem sichtlich genervten Grenzbeamten direkt wieder verschickt. Es stellt sich heraus das die ganzen Autos und LKW nicht wahllos auf der Straße parken - nein es ist bereits die Schlange für den Grenzübertritt. Also geht´s wieder die hunderte-meter-lange Schlange retour. Als wir dann hinten angekommen sind verschickt uns ein ähnlich schroffer Polizeibeamte wieder nach vorne. Wir sollen unser Auto irgendwo abstellen und zuerst die Dokumente zu unserer Person erledigen, erst dann die Papiere fürs Auto. Wird gemacht. Während wir einen Parkplatz suchen schimpfe ich schon vor mich hin, es ist kalt, ich habe noch nicht gefrühstückt und hier ist alles super chaotisch. Als wir dann die ähnlich lange Schlange vor der Migrationsbehörde sehen hängen meine Mundwinkel noch ein wenig tiefer. Uns bleibt nichts anderes übrig, wir stellen uns hinten an und warten geduldig. Es ist noch früh, eisig kalt und ruhig, das Einzige was die Stille stört sind die Schreie: „FILA!“ (denjenigen gewidmet die sich nicht brav hintenanstellen) „BOLETO BUENOS AIRES!“ (für diejenigen die noch eine Mitfahrgelegenheit in die Hauptstadt suchen) und „EMPANADAS CASERAS!“ (wohlklingende Worte für mich). Ein netter alter Mann steht mit einer Styroporbox auf dem Fahrrad am Rande der Schlange und verkauft dampfend heiße Empanadas. Meine Rettung und mein Stimmungsaufheller. Der Verkäufer und ich, wir sind beide glücklich, ich bin nicht mehr hungrig und er hat heute viel Kundschaft. Wir stehen jetzt schon 2 Stunden in der Reihe, es geht sehr schleppend voran aber als wir vorne angekommen sind wir es plötzlich hektisch. Der Grenzbeamte verlangt mit rabiater Stimme unsere Pässe und haut direkt ohne eine Erklärung mit unseren Dokumenten ab. Eine ziemlich ungute Situation, hier kann man sich leider nie ganz sicher sein ob man seine Pässe wieder zurückbekommt. Normalerweise gebe ich unsere Dokumente nur sehr ungerne ab, aber in diesem Durcheinander geschieht es schneller als angenommen. Aber glücklicherweise bekommen wir unsere Pässe nach ein paar Minuten wieder retour, allerdings ohne den Ausreisestempel. Auf meine Bemerkung das der Stempel fehlt wird nicht eingegangen. Alles sei erledigt. Wir sollen weitergehen. Von hier aus startet ein schier unendliches Hin- und Her, wir werden von einem Gebäude ins nächste geschickt. Komischerweise befinden sich einige bolivianische Gebäude auf der argentinischen Seite. Also überqueren wir die Brücke über den Grenzfluss mehrere Male bis alles erledigt ist. Nach 4 Stunden können wir endlich die Papiere für den Bus erledigen. Jetzt heißt es wieder in der Auto-Schlange anstellen. Wir ich bereits befürchtet habe bekommen wir jetzt auf der argentinischen Seite Probleme, weil der Ausreisestempel von Bolivien fehlt. Aber irgendwie ist alles so chaotisch das der argentinische Beamte meint es sei jetzt egal. Das nächste Problem ist das auf unserem Pass nur „Österreich“ steht, auf dem Pass steht nicht „Austria“. Mit Österreich kann hier natürlich niemand was anfangen. Als ich den Polizisten darauf hinweise das auf der zweiten Seite des Passes „Austria“ steht gibt er sich nicht damit zufrieden. Das Herkunftsland müsse normal auf der Hülle stehen. Eine ewige Diskussion starten bis er mir endlich glaubt das Österreich = Austria ist. Er bereitet alle Papiere vor, druckt sie aus und bittet uns alles zu kontrollieren und zu unterschreiben. Nächstes Dilemma: er hat Australia nicht Austria als Herkunftsland hinterlegt. Als ich ihn darauf hinweise startet die nächste Diskussion. Er meint Australien und Austria sei das gleiche und ignoriert vehement alle anderen Meinungen. Sogar andere Menschen die hinter uns in der Schlange versuchen ihn zu belehren, aber erst als er das Internet befragt scheint er überzeugt zu sein. Also tippt er genervt alle Daten erneut in seinen PC ein und legt sie uns neu vor. Mit unserer Unterschrift ist der Papierkram also endlich erledigt. Zur Krönung des Tages wird der ganze Bus noch penibel kontrolliert. Es werden alle Schubladen und Schränke ausgeräumt. Taschen, Stühle und unser Kleinkram werden durch ein Röntgengerät geschoben. Der Drogenhund kontrolliert alles vom Motorraum bis zum Auspuffrohr. Als sich rausgestellt hat das wir keine Drogenkuriere sind dürfen wir dann auch endlich nach Argentinien einreisen. Nach der 6 Stunden Prozedur sind wir heilfroh das alles erledigt ist. Wir übernachten auf halber Strecke Richtung Salta an einem Bach und fallen nur noch müde ins Bett.
Angekommen in der schönen Hauptstadt der Region: Salta. Im Gegensatz zu Bolivien gibt es hier zahlreiche Campingplätze. Argentinien ist eine wahre Camping-Nation. Jeder Ort hat einen städtischen Campingplatz. Diese sind ganz einfach eingerichtet haben aber alles was man benötigt. An solch einem kommen wir jetzt unter und hauen mit unserer Ankunft den Altersdurchschnitt um einige Jahre nach unten. Es scheint so das vor allem die Pensionisten den Ruhestand nutzen um im eigenen Fahrzeug das Heimatland zu bereisen. Wir sind die Einzigen die keinen Hocker vor dem Eingang stehen haben, damit man leichter ins Fahrzeug steigen kann. Flo meint, wenn wir auch einen Schemmel brauchen um in den Bus zu kommen, wissen wir das wir alt sind. Gott sei Dank geht das noch ein paar Jahre. Eine weitere Kuriosität ist das der Campingplatz am größten Pools Südamerikas liegt. Da es zum Baden noch zu kalt ist steht er aktuell leer. Wir spazieren im riesigen blauen Becken herum und spekulieren wir lange es wohl dauert bis der Pool gefüllt ist. Er hat ein unglaubliches Fassungsvermögen von 36 Millionen Litern und eine Größe von 300x90 Metern.
Von hier aus laufen wir täglich ins Stadtzentrum. Genießen die schöne koloniale Altstadt, besonders die farbenfrohen Kirchen schmücken das Städtchen sehr auf. Wir besuchen einige interessante Museen, die hier übrigens alle gratis sind. In Argentinien sind Schulen kostenlos und alle Museen kann man gratis besuchen. Bildung für alle so einfach zugänglich zu machen ist eine wirklich tolle Sache und wird hier auch von Klein und Groß genutzt.
Was sich anfänglich ein wenig schwierig herausstellt ist die Bargeldbeschaffung. Aufgrund der extremen Inflation ist es für die Einheimischen nur mit langen Schlangen vor den Geldautomaten möglich eine kleine Summe abzuheben. Wir sind sehr dankbar das wir den Tipp von Mitreisenden erhalten haben unser Geld mit Western Union zu überweisen und dann dort abzuheben. Transaktionen mit ausländischen Banken werden hier sehr hoch besteuert, nur Western Union hat eine Ausnahmeregelung. Also bekommen wir unser Geld steuerfrei und dank der Inflation ist der Euro hier natürlich sehr viel mehr wert. Normal bekämen wir für 1€ = 135 Pesos. Dank Western Union machen wir jetzt aus 1€ = 274 Pesos. Also können wir jetzt um 55 Cent pro Liter Diesel tanken und um 3 Euro ein Mittagsmenü mit Getränk und Dessert essen. Wir freuen uns natürlich über die günstigen Preise aber für die Argentinier ist die Inflation eine Katastrophe. Schon seit Jahrzehnten versuchen sie die Währung zu stabilisieren aber leider klappt das eher schlecht als recht. Allein von Juni auf Juli ist die Inflation um 8,5% gestiegen. Daher glänzen die Augen der Argentinier, wenn sie einen stabilen Dollarschein sehen. Alle wichtigen Geschäfte werden hier in Dollar abgeschlossen. Alle anderen Anschaffungen erfolgen ausschließlich in Raten, da das Geld nächsten Monat schon weniger Wert sein wird. Als wir unser 70 Liter Auto volltanken und dann auch noch bar bezahlen werden wir mit ratlosen Augen angeschaut als wären wir komplett verrückt. Sogar an der Tankstelle ist Ratenzahlung möglich, die meisten tanken aber nur für wenige Liter da sich der Preis am nächsten Tag schon wieder ändert. Verrückte Welt. Auch unsere Geldtaschen werden jetzt zu klein da wir ganze Geldbündel mit uns rumschleppen müssen. Wir haben für 290€ - 80.000 Pesos in 500er Scheinen erhalten. Das ergibt einen ganz schönen Büschel Geld. Aber der Schein trügt, schlussendlich ist es dann ja doch nicht so viel Geld wie es aussieht. Den Kassierern an der Supermarktkassa ist es gar nicht möglich die kleinen Beträge herauszugeben. Daher wird meist auf- und abgerundet oder als kleine Entschädigung Bonbons, Teebeutel oder Plastiksäcke ausgehändigt. Außergewöhnliche Umstände fordern außergewöhnliche Maßnahmen. Wir amüsieren uns über die Kreativität und die Lösungen der Argentinier.
Wir freuen uns noch mehr Zeit in diesem besonderen Land verbringen zu dürfen. Bald geht es weiter…
























