#28 SUCRE
Juli 2022
Von La Paz geht über die wunderschöne Landschaft des Altiplanos bergab nach Sucre. In dieser besonderen Umgebung übernachten unterwegs auf dem Land und besuchen noch die Stadt Oruro. Wir rauschen vorbei an etlichen Alpakas, Mautstellen und Polizeikontrollen. Schon in Peru wurden wir vor der korrupten Polizei in Bolivien gewarnt. Allerdings haben wir bis jetzt nur positive Erfahrungen mit der Exekutive gemacht. Unsere Zulassung blättern sie höflichkeitshalber ein wenig durch ohne ein Wort zu verstehen, nicken meist freundlich und wünschen uns eine gute Weiterfahrt. Ein älterer Polizist will nicht mal unsere Papiere sehen, er fragt uns nur ob es uns in seinem Heimatland gefällt. Als wir die Frage natürlich mit ja beantworten hat er eine riesige Freude, gibt uns noch Tipps und fordert uns auf zu unbedingt zu heiraten. Von der drängelnden Auto-Schlange hinter uns lässt er sich nicht aus der Ruhe bringen. Er wünscht uns alles Gute und wenn wir ein Problem haben sollen wir ihn einfach anrufen. Seine Telefonnummer hat er uns aber nicht gegeben? 😊 Bevor wir ein Problem mit unserem Hintermann bekommen der immer nervöser wird fahren wir schnell weiter.
Vorbei an etlichen kleinen Gemeinden, die fast alle ausschließlich vom Bergbau leben. Die ganze Umgebung macht uns sehr nachdenklich. Wenn wir irgendwo einen Firmennamen erhaschen können googeln wir diesen. Und finden immer ausländische Mienen-Firmen mit Sitz in den Niederlanden, Schweiz und anderen europäischen Länder. In den Gemeinden wo sich große Tagebaue befinden errichten die Unternehmen den Einwohnern Fußballplätze, Krankenhäuser, neue Schulen und schaffen viele Arbeitsplätze. Wir haben das Gefühl das sich die Bolivianer von den ausländischen Investoren „kaufen“ lassen, oder vielleicht auch keine andere Möglichkeit haben. Kurzfristig gesehen profitieren sie immens von den guten Löhnen und der tollen Infrastruktur des Dorfes. Was sie jedoch zu vergessen scheinen ist das sich andere ihre Bodenschätze unter den Nagel reißen, ihre Natur zerstört wird, das wenige Wasser das sie haben vergiftet wird, die Arbeitsbedingungen und die Sicherheit katastrophal sind und viele ihrer Vorfahren bereits für den Profit anderer gelitten haben. Schon zur spanischen Kolonialzeit prägten die Bodenschätze das heutige Bolivien. Die Landwirtschaft und das gesamte gesellschaftliche Leben wurden dem Bergbau untergeordnet. Die Eingeborenen des Hochlandes wurden versklavt, viele Verloren bei der Arbeit unter Tage ihr Leben. Leider schlugen sich die regionale und überregionale Bedeutung der Mienen jedenfalls nicht in Wohlstand für die Bolivianer selbst aus. Wir sehen viele Rinnsale unter bedürftigen Brücken die allein durch das mineralreiche Wasser schon oft nicht trinkbar sind, aber durch die Chemikalien die für die Extrahierung der Metalle notwendig sind, endgültig vergiftet werden. Einen Satz den ich gelesen habe blieb mir im Gedächtnis: „Das Ergebnis des Reichtums der Erde ist die Armut der Menschen.“ Und diese Situation scheint sich in Zukunft nicht großartig zu ändern, neben etlichen Metallschätzen, Erdöl und Gas befindet sich die größte Lithium-Reserve der Erde hier in Bolivien. Gerade in diesen Tagen wird im geschützten Nationalpark Madidi westlich von La Paz mit schwerem Gerät und giftigem Quecksilber im großen Stil Gold geschürft. Für die bolivianische Regierung und die mächtige Bergbau-Lobby gibt es aber kein Grund in irgendeiner Art einzugreifen. Schade, denn genau hier im wunderschönen und vor allem vielfältigen Bolivien steckt so viel Potential. Hätten die Bolivianer nicht so viel mit der korrupten Staatsmacht und anderen Länder die sich seit Jahrhunderten in ihre Geschichte einmischen zu kämpfen wäre es bestimmt eines der reichsten Länder der Erde.
Aber angekommen in der Stadt Sucre können wir endlich mal die Schönheit dieser schier unendlichen Bodenschätze des Landes bestaunen. In Museen bezaubern uns allerlei Metalle und Edelsteine. Hier wird die Demut wieder laut das ich meinen damaligen Wunsch Goldschmiedin zu werden verworfen habe. Wenigstens konnte ich die Liebe zu den schönen Steinen dank meiner Mama entdecken. Sie konnte Brasilien nur selten ohne einen schönen Stein verlassen und ließ sich diesen zu Hause vom (leider pensionierten) Goldschmied Neumeister einfassen. Papa und Flo sind wahrscheinlich ziemlich froh das sich der nette Herr aus der Bludenzer Altstadt zur Ruhe gesetzt hat. So werden die Portemonnaies aller verschont 😊. Aber Sucres Schönheit glänzt nicht nur in den Museen. Es wird augenscheinlich das einiges an Geld, dass in den umliegenden Minen verdient wird, nach Sucre fließt. Vor allem ein wohlhabendes, alleinstehendes Paar hat den Bewohnern von Sucre und der Stadt viele wunderschöne Immobilien hinterlassen. Die Häuser und Plätze sind herausgeputzt, die Straßen zum ersten Mal in Bolivien sehr sauber. Die Gebäude werden einmal im Jahr gestrichen, somit strahlt alles immer in neuem Glanz. Nach dem chaotischen, unperfekten La Paz bietet Sucre nun einen überraschend aufgeräumten Anblick. Wir übernachten beim lieben Alberto, einem Opi der uns an Ferdl, Flo´s Opa erinnert. Alberto und Ferdl scheinen beide Hummeln im Hintern zu haben und werkeln den ganzen Tag an irgendetwas herum. Wenn er gerade nicht in seiner kleinen Werkstatt tüftelt, kehrt er den Vorplatz zusammen oder sortiert Müll. Alberto und Ferdl ähneln sich sehr. Beides fleißige und schlaue Männer. Flo ist von Albertos Fertigkeiten beeindruckt, er schaut ihm gern über die Schultern wenn er Elektromotoren neu wickelt und überholt. Eine Fähigkeit die in Vorarlberg nur noch wenige beherrschen.
Aber andere Expertisen aus Österreich werden hier in Bolivien anscheinend geschätzt. Als wir in einem Zementwerk Dinosaurierspuren beobachten, werden hier Vermessungen dargestellt, die von dem Unternehmen Liesinger aus St. Johann im Pongau durchgeführt wurden. Die Welt ist manchmal wirklich ein Dorf. Ziemlich verrückt, wir stehen vor riesigen Spuren an einer senkrechten Felswand in dem Steinbruch einer Zementfabrik, die ihrem normalen Tagesgeschäft nachgeht. Während wir die Spuren beobachten rattern immer wieder vollbeladenen LKW´s an uns vorbei. Damals war die heutige Felswand ein Strand an einem See, der als Trinkquelle für die Dinosaurier diente. Dieser hat sich bei der Entstehung der Anden aufgeschoben und wurde im Jahr 1994 im Steinbruch entdeckt. Die Wand gilt heute als die größte Sammlung von verschiedenen Saurierspuren weltweit. Zu kommerziellen Zwecken hat die Zementfirma noch einen kleinen Themenpark mit lebensgroßen Plastik-Dinosauriern ins Gelände gebaut. Hätte es unserer Meinung nicht gebraucht aber wir amüsieren uns besonders der Kinder wegen. Viele haben ein Dino-Shirt an und quiecken vor Begeisterung vor den Ausstellungsstücken, andere verstecken sich vorsichtshalber mit skeptischem Blick hinter der Mama.
Wir genießen die verbleibende Zeit in der Stadt und auf der ruhigen Wiese vor Albertos Werkstatt. Ähnlich wie die Kinder im Dinopark können wir uns nicht ganz entscheiden, das Gefühl der Begeisterung für all die Schönheit aber auch die Skepsis gegenüber den ganzen Umständen können wir nicht ganz ablegen. Und jetzt solls auch noch weiter gehen Richtung Salar de Uyuni, dem gigantischen Salzsee, der wie oben erwähnt die größte Lithium-Reserve der Welt ist. Also heißt es noch ein wenig durchhalten, die Diskussionen und Vorträge von Flo haben noch kein Ende in Sicht 😊. Bald sind wir wieder Seite an Seite auf der Straße unterwegs, da geht uns wenigstens der Gesprächsstoff nicht aus.





























