# 49 COLONIA DE SACRAMENTO
Dezember 2022
Colonia del Sacramento, die älteste Stadt Uruguays, hat eine bewegte und blutige Vergangenheit. Krieg, Schmuggel und Sklaverei prägte die strategisch wichtige Stadt. Hier an der Mündung vom Rio de la Plata ist im Jahr 1680 der Gouverneur von Rio de Janeiro angekommen und besetzte für das portugiesische Königshaus das heutige Colonia. In der Altstadt sind noch heute Teile, der von ihnen errichteten Festungsmauern und das alte Stadttor, zu finden. Colonia war für die Portugiesen nicht nur strategischer Stützpunkt im Kampf gegen die Spanier, auch der Hafen war für den Handel äußerst wichtig. Mitten in der Altstadt erinnert die berühmte Calle de los Suspiros (die Straße der Seufzer) noch heute an all die traurigen Gefangenen und Sklaven die früher in dieser Gasse zum Verkauf angeboten wurden.
Seit der Gründung von Colonia kämpften die Portugiesen und Spanier immer wieder um die Vorherrschaft. Als Zeugen dieser Zeit stehen hier die ältesten Häuser Uruguays, teilweise noch aus dem 17. Jahrhundert. So alte Gebäude sind in ganz Südamerika kaum zu finden. Nach einem schier endlosen Hick-Hack der zwei Großmächte eroberten 1777 die Spanier Colonia vollständig. Daher sind neben den portugiesischen Hinterlassenschaften auch einige Zeugnisse iberischer Baukunst sichtbar. Besonders die flachen Dächer (a la porteña), hohen Fenster und aufwendig geschwungenen Stuckverzierungen kann man noch bewundern. Die Altstadt ist ein fotogener Augenschmaus geprägt von den zwei damaligen Weltmächten. Leider werden bei den ganzen Eroberungsgeschichten oft die Indigenen Völker vergessen. Dabei galten die Charrúa, das Volk das hier einst lebte, als gefürchtete Reiterkrieger. Sie waren nomadische Jäger und Sammler, die bekannt waren wilde Pferde und Rinder bändigen zu können. Bedingt durch die jahrhundertelange Verfolgung durch die Europäer, wurden die letzten Charrúas im Laufe des 19. Jahrhunderts komplett ausgerottet. 1831 ereignete sich das Massaker von Salsipuedes, bei dem 40 Charrúas getötet und 300 gefangen genommen wurden. Die Spanier überführten drei Charrúas in ihre Heimat und mumifizierten sie dort. Noch heute können diese Mumien in einem spanischen Museum besichtigt werden. Andere Männer des indigenen Stammes wurden nach Frankreich verschleppt und an einen Zirkus verkauft. Hier sollten sie zur „Völkerschau“ ausgestellt werden, jedoch starben die Charrúas nach kurzer Zeit, da sie jegliche Nahrungsaufnahme verweigerten. Nach so viel traurigen Verbrechen an der Menschlichkeit zeigt das Musée de l’Homme in Paris wenigstens ein wenig Reue. Im Jahr 2002 wurde das Skelett des letzten Häuptlings des Eingeborenenstammes der Charrúas, Vaimacá Pirú, von Paris nach Montevideo rücküberführt.
Während die Wunden vergangener Zeiten langsam verheilen, findet man heute eine Oase der Ruhe in der malerischen Altstadt. Wir genießen die gemütliche Atmosphäre, mit dem Wissen den Lärm der Großstädte in weiter Ferne zu lassen. Alles was wir vereinzelt hören ist das Plaudern der Fischer am Rio de la Plata, nur selten knattert ein Moped, stattdessen klirren die Gläser in den zahlreichen kleinen Restaurants. Die Kolonialbauten strahlen wahrscheinlich so viel Charme aus, weil eben nicht alles perfekt ist. Hier bröckelt der Putz, da steht eine Bodenplatte hervor und dort wachsen schon die Gräser aus dem Dach. Platanen und Ceibo Bäume säumen die Straßen. Und die besonders schönen Bougainvillea-Sträucher leuchten in kräftigen Farben und machen jeden Hauseingang zu einem Hingucker. Am Hauptplatz sitzen ein paar Hippies und verkaufen selbstgeknüpfte Armbänder und Mate Becher. Ein Joint kreist. Da fällt uns wieder ein das der Marihuana Konsum in Uruguay legal ist, vielleicht geht es hier deswegen so entspannt zu.
Damit wir nicht zu stark verwöhnt werden mit den schönen, relaxten Eindrücken der Stadt, bietet uns Colonia einen besonders ekligen Campingplatz als Kontrast an. Wenn ich an den Anfang unserer Reise zurückdenke, hätte ich mich bestimmt geweigert an solch einem Platz zu übernachten. Aber mittlerweile lass ich so einiges über mich ergehen. 🙄 Flo und ich spekulieren darüber wie viele Tage oder Wochen es her ist, als man das letzte Mal das WC geputzt hat, schütteln kurz den Kopf und einigen uns darauf so wenig Zeit wie möglich an diesem Platz zu verbringen. Da es aktuell unglaublich heiß ist, kommen wir aber der abendlichen Dusche nicht aus. Also stehe ich nun hier unter der Dusche, die aus einem abgeschnittenen Plastikröhrchen besteht und grause mich trotz Flip-Flops sehr vor dem dreckigen Boden. Außerdem bin ich nebenbei beschäftigt einen handgroßen, braunen Frosch nicht aus den Augen zu lassen, dieser sitzt direkt neben mir in der Ecke der Dusche und wartet nur auf eine Gelegenheit um mich mit einem unterwarteten Hüpfer zu erschrecken. 😄 Wenigstens musste ich beim Grenzübergang nach Uruguay nicht so angespannt sein wie hier unter Dusche. Die Kontrolle lief erstaunlich entspannt ab, die Uruguayos wollen nicht mal einen Blick in unseren Bus werfen. Sowas ist uns bis jetzt, nach 10 Grenzübertritten, noch nie passiert. Es wurde nur kurz der Papierkram abgewickelt und wir konnten sofort unbeschwert weiterfahren. Hoffentlich ein gutes Omen für unsere baldige Verschiffung in Montevideo. Wir kommen uns schon ein wenig komisch vor mit dem Auto nach Colonia gereist zu sein, normalerweise ist der Besuch dieser Stadt ein klassischer Tageausflug von Buenos Aires oder Montevideo und zwar per Boot. Die Wenigstens reisen hier per Auto an, noch weniger mit Camper, das erklärt wahrscheinlich auch den Zustand des städtischen Campingplatzes. Aber von diesen Tatsachen lassen wir uns nicht weiter ärgern. Wir sind zuversichtlich, dass wir die verbleibende Zeit in Uruguay genießen können, freuen uns über den gelungenen Start und hoffen auf eine unkomplizierte Verschiffung in etwa zwei Wochen. Bis dahin wollen wir nochmal an den Strand und zu unserer allerersten Unterkunft in Südamerika reisen, bis wir dann die letzte Fahrt in den Hafen von Montevideo antreten.

