# 50 BLANCARENA, JAUREGUIBERRY

Dezember 2022

Bevor wir uns von unserem treuen zu Hause auf Rädern trennen und in einer fremden Unterkunft in Montevideo unterkommen, machen wir uns auf zu unserem letzten Ziel in Uruguay. Ehrlich gesagt haben wir noch gar nicht richtig realisiert, dass unsere Reise ein baldiges Ende haben wird. Bald werden wir wieder im eisigen Europa sein, da wollen wir davor noch ein wenig den Sommer auskosten. Daher fahren wir unweit von Colonia de Sacramento in den winzigen Ort namens Blancarena und kommen an einem traumhaften Platz unter. Zuerst kann ich es gar nicht richtig genießen, weil ich mich ärgere diesen Ort nicht schon früher gefunden zu haben. Den Großteil der Reise sind wir komplett ohne Zeitdruck gereist, wenn es uns irgendwo gefallen hat konnten wir so lange bleiben wie wir wollten, wenn wir einen Ort nicht mochten, sind wir einfach weitergereist. Und ausgerechnet jetzt, wo ich für mich das „Paradies“ gefunden habe, haben wir Zeitdruck um weiterzureisen. Rückblickend haben wir zu viel Zeit an Orten verbracht, die uns nicht so zugesagt haben und hätten die Zeit besser hier genossen. „Hätte, hätte, Fahrradkette.“ Dieser nervige Spruch von Flo macht mich nur noch grantiger. Aber (wie fast immer) hat er Recht, es nützt nichts jetzt „noche zum jassa“. Es ist viel schlauer die jetzigen Tage zu genießen und dankbar zu sein diesen wunderbaren Ort überhaupt gefunden zu haben. Also reiß ich mich zusammen und spätestens nach ein paar Spaziergängen an diesem menschenleeren, ja wirklich menschenleeren Strand realisiere ich, dass es mir doch eigentlich verdammt gut geht. Sogar der kalt-wasser-scheue-Florian ist erfreut, dass das Meer ganz flach abfällt und sich dadurch auf Badewannen-Temperatur aufwärmt. Wir liegen zufrieden am Strand, genießen die stärkenden Sonnenstrahlen bis plötzlich ein Mail ankommt. Die Reederei Grimaldi, mit der wir unser Bus in einer Woche nach Hamburg verschiffen bereitet uns Kopfzerbrechen. Sie weisen uns an, einen Frostschutz für unseren Dieseltank zu organisieren. Da hier in Uruguay dem Diesel kein Frostschutz beigesetzt wird, passiert es aktuell vermehrt, dass die Fahrzeuge in den kalten Häfen Europas nicht anspringen und dadurch komplizierter vom Schiff abgeladen werden müssen. Solche Vorfälle verzögern natürlich die Stehzeiten der Schiffe in den Häfen und die Reederei ist ziemlich verärgert über den Zeitverlust. Daher bekommen wir nun dieses scharfe Mail, in dem wir angewiesen werden diesen Frostschutz anzuschaffen. Na Super, Frostschutz, in einem Land das nie einen Frost erlebt, hier wo sich die minimalen Temperaturen zwischen 5 und 10 Grad bewegen. Nützt nichts, also mache ich mich auf die Suche nach Werkstätten und Autobedarf-Geschäften. Frage jeden zweiten der mir über den Weg läuft um Rat, aber von allen hören wir die gleiche Antwort: „Frostschutz in Uruguay? Haha! No existe aqui.“ Während ich mit Flo diskutiere ob wir diesen blöden Frostschutz, denn wirklich brauchen, will er lieber kein Risiko eingehen und weiter danach suchen. Daher verlassen wir Blancarena und machen uns auf nach Montevideo, hier ist die Chance sicher größer so etwas zu organisieren, als hier irgendwo im nirgendwo. Auf der Fahrt dahin telefoniere ich wieder mit etlichen Mechanikern und versuche dabei so kompetent wie nur möglich zu wirken und so wenig Guthaben wie es geht zu verbrauchen. 😎 Aber keiner kann uns weiterhelfen. Bis Flo im Internet eine Abbildung in einem Uruguay-Internetshop findet, die „Winterdiesel-Zusatz“ einer amerikanischen Firma anbieten. Also werden alle Register ausgefahren und ich rufe beim Versandhaus an und frage ob wir auch nicht-online dieses Fläschchen irgendwo ergattern können. Der Mitarbeiter ist so nett und finden eine Firma im Herzen von Montevideo, der diesen Artikel vorrätig haben sollten. Flo und ich glauben es erst, als wir die kleine Plastikflasche in der Hand halten. Endlich geschafft, eine Sorge weniger, eine Sorge von der wir nie geglaubt hätten das sie eine Sorge für uns sein könnte. Also können wir auch diese unverhoffte Aufregung hinter uns lassen und machen uns auf zu dem Campingplatz, der unsere erste Anlaufstelle in Südamerika war. Angekommen im Jaureguiberry bei Silvia und Heinz, den Schweizer Campingplatzbesitzern werden wir mit einer herzlichen Umarmung begrüßt. Ich habe nicht gedacht, dass sich die Beiden nach einem Jahr und so vielen Gästen noch an uns zwei erinnern, aber anscheinend haben wir einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Der Campingplatz unweit von Montevideo ist für viele die erste oder letzte Unterkunft vor der Rückverschiffung. Daher treffen wir wieder besondere Menschen aus aller Welt. Nach dem der Bus von oben bis unten, ausgeräumt, abgestaubt und für das Schiff klar gemacht wird, freuen wir uns jeden Abend um 17:00 Uhr auf den Apero. Dann treffen sich alle die wollen auf ein Gläschen Wein oder Bier. Nach ein paar Tagen sind wir schon eine eigeschworene Truppe aus Schweizern, Deutschen, Holländer und uns zwei. Es wird übers Reisen gequatscht, Erfahrungen weitergegeben und wir lernen uns auch persönlich besser kennen, tauschen Kontakte aus und hoffen das mal jemand bei uns zu Hause vorbeischaut. Jetzt wird es aber langsam Zeit Richtung Hafen aufzubrechen. Wir lassen den einzigartigen Strand hinter uns, den wir täglich auf und ab gelaufen sind, wo wir Sonne getankt und mit dem starken Wind oft unser Hirn durchgeblasen haben. Das war auch notwendig, denn zugegebenermaßen verstehen wir langsam, dass es ernst wird. Wir hoffen das die Busabgabe unkompliziert funktioniert und das wir noch ein paar schöne Wochen in Montevideo und dann ein Hamburg verbringen können. Bevor es dann so wirklich ernst wird und wir wieder nach Hause kommen. Aber wie ein weiser Mann mit grauen Haaren aus Nenzing mal gesagt hat, Nervosität ist nichts Schlechtes, dann merkt man das die Sache einem wirklich wichtig ist. 😎 Und genau das stimmt, unser zu Hause und unsere Lieben bedeuten uns alles. Daher gehen wir zuversichtlich, vielleicht ein wenig wehmütig aber gleichzeitig voller Vorfreude unsere letzte Busfahrt in den Porto von Montevideo an.





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# 49 COLONIA DE SACRAMENTO