# 47 SAN CLEMENTE DE TUYU, LA PLATA
Dezember 2022
In der Hoffnung den Sand zwischen den Zehen und die Sonne auf der Haut spüren zu können machen wir uns auf Richtung La Plata. Auf dem Weg dahin entscheiden wir uns noch ein paar Tage halt im Badeort San Clemente de Tuyu zu machen. Da langsam der Countdown für die Heimreise läuft, verspüren wir immer mehr das Bedürfnis noch ein wenig „Urlaub“ machen zu können. Für euch zu Hause hört sich das bestimmt ziemlich überheblich an, da gehen das Rösslemeigi und der Postsackbua ein Jahr auf Reisen und verlangen dann gegen Ende dieser Auszeit auch noch nach einem „Urlaub“?! Aber bitte versteht uns nicht falsch, ich denke so etwas kann man erst nachvollziehen, wenn man selbst einmal länger auf Reisen war. Diese Reise bedeutet uns so viel, wir erleben täglich so Neues, saugen die ganzen Eindrücke und Erfahrungen nur so in uns auf. Aber eines ist diese Reise bestimmt nicht: und zwar erholsam. Wir verbringen jeden Tag viel mehr Zeit an der frischen Luft als zu Hause, wir legen täglich einige Kilometer zu Fuß und im Auto zurück um voran zu kommen, recherchieren viel und lesen etliche Reiseberichte. Googeln zählt zu meinen Hauptaufgaben und dann sind da noch die alltäglichen Herausforderungen: Wo schlafen wir? Was sollen wir hier zu unternehmen? Wie kommen wir von A nach B? Wo sollen wir einkaufen gehen? Wir kommen wir an Bargeld? Wo können wir duschen? Ist es hier sicher? Und, und, und. Am Anfang der Reise hatten wir das Bedürfnis so viel wie nur möglich zu erleben, haben fast jede Nacht an einem anderen Ort geschlafen aber mittlerweile hat sich unser Reisetempo ein wenig verlangsamt. Nun genießen wir es ein paar Nächte am selben Ort zu verbringen, so weiß man schon wo der Supermarkt ist, welcher Händler das beste Obst verkauft, sogar der Hund vom Campingbesitzer gehorcht uns auch schon aufs Wort. Der anfängliche Druck so viel wie möglich zu erleben und schnell voranzukommen hat sich ein wenig gewandelt, wir wollen und können nicht mehr so „Hudla“. Obwohl wir es mittlerweile ein wenig ruhiger angehen, haben wir festgestellt das wir noch keinen einzigen Tag einfach Nichts gemacht haben. Auch wenn wir uns mal am Nachmittag entspannen, haben wir am Vormittag schon ein Museum besucht, waren schon Wandern oder haben den Bus geputzt. Klingt befremdlich, aber für uns ist jeder Tag gleich, es gibt kein Wochenende, wir sind jeden Tag unterwegs. Da beschleicht uns langsam das Gefühl das wir doch noch ein wenig Sonne tanken wollen bevor wir wieder in den Alltag zu Hause starten. Wir sind ja hauptsächlich im Herbst, Winter und Frühling gereist, erst jetzt startet hier der Sommer, von dem wir bis jetzt leider nicht viel mitbekommen haben. Aber endlich bessert sich das Wetter, als wir im Auto die Temperaturanzeige 33 Grad sehen, ist schnell entschlossen, dass wir vor der Stadt La Plata noch einen Abstecher in den Badeort San Clemente de Tuyu machen. Als wir dann hier faul am Strand liegen und den Wellen lauschen, stellen wir dankbar fest das sich unsere Erwartungen doch noch erfüllt haben. Wir lesen gemütlich, tanken ein wenig Sonne und schauen den Kindern beim Fußballspielen im Sand zu. Als dann täglich der Wind zunimmt und schlussendlich immer öfter in unvorhersehbaren Sandstürmen endet, entscheiden wir uns weiterzureisen. Ohnehin ist uns sowieso schon langweilig, das war dann schon wieder genug relaxen für uns zwei. Flo verlässt den Ort braun gebrannt, leider ist das Einzige was an mir braun wurde ein paar Sommersprossen auf der Nase. 🙄 Aber ausgeruht sind wir beide auf alle Fälle, der Kopf fühlt sich federleicht an, die Festplatte ist geleert und kann nun mit neuen Informationen bestückt werden. Daher freue ich mich schon wie das Christkind auf den Besuch des über die Landesgrenzen hinaus bekannte Naturhistorischen Museum in La Plata von dem ich schon so viel gelesen habe…
Obwohl La Plata streng symmetrisch am Reißbrett entworfen wurde, strahlt es erstaunlich viel Charme aus. Durch die Nähe nach Buenos Aires leben hier viele Menschen die zum Arbeiten in die Hauptstadt pendeln. Genau solche Pendler haben in Jahr 1952, nach dem Tod von Eva Perón, veranlasst, dass La Plata in „Ciudad Eva Perón“ umbenannt wird. Eva war lange Zeit unbestreitbar die zweitmächtigste Person in Argentinien, als weltbekannte First Lady und von den Argentiniern vergötterte »Evita« gilt sie heute noch als Legende. Dabei hatte sie in der Regierung ihres Gatten nicht einmal ein offizielles Amt inne. Dennoch erweckt ihre polarisierende Rolle bis heute in ganz Argentinien die Gemüter. Für die Einen ist sie revolutionäre Feministin, Wohltäterin der Armen und Repräsentantin der Arbeiterklasse, für die Anderen eine machtgierige, berechnende Aufsteigerin. Nach dem Staatsstreich gegen ihren Ehemann Präsident Juan Perón im Jahr 1955 erhielt die Stadt La Plata ihren ursprünglichen Namen wieder zurück. Trotz der Namensänderung sind die Spuren Evitas aber immer noch sehr präsent.
Neben Evita gibt es noch weitere interessante Personen dieser Stadt. Nachdem wir die Stadt erkundet haben, die gewaltige Kathedrale bestaunt und durch die Straßen geschlendert sind wird mein Drängen immer lauter: ich will endlich in dieses Museum. Flo muss schon ziemlich genervt sein und führt mich daher schnurstracks durch den Paseo del Bosque an dessen Ende das riesige Museumgebäude auf uns wartet. Das Museum entstand aus den Sammlungen der beiden legendären Forschern Francisco Moreno (nach dem übrigens der Gletscher in El Calafate benannt wurde) und Florentino Ameghino. Beides Naturforscher, Zoologen, Paläontologen, Geologen und Anthropologen. Die Zwei interessierten sich besonders für Patagonien, wobei sich Moreno auf Gletscher und Ameginho auf die Pampa spezialisiert habt. Außerdem konnte Moreno durch die auf seinen Expeditionen gewonnenen Ortskenntnis die Grenzziehung maßgeblich im Sinne Argentiniens beeinflussen. Nicht nur das prägte Argentinien, auch das von ihm gegründete Naturkundemuseum ist bis zum jetzigen Tag das größte und bedeutendste in ganz Südamerika. Heute können wir die Sammlung (über 2 Millionen Objekte!) seiner Forschung aus den Jahren 1850-1900 in tadellosen Originalzustand bewundern. Von Dinosaurierknochen, Fossilien, Botanik, versteinerten Bäumen geht die Ausstellung hin bis zu ausgestopften Pinguinen, Schimpanse, Fledermäusen und Vögeln. Es geht vorbei an eingelegten Schlangen, Elefantenskelett, Blauwalgebisse, Haizähnen und in Patagonien gefundenen prähistorischen Menschenknochen. Ich bin komplett überwältigt, über jedes einzelne Ausstellungsstück könnte man sich stundenlang beschäftigen, der halbe Tag den wir hier verbringen würdigt die Ausstellung in keiner Weise. Am liebsten würde ich die ganze Nacht hier verbringen, in der Hoffnung das genauso wie im Film „Nachts im Museum“ alles zum Leben erwacht. Ein kleiner Affe als Begleiter wie in Pippi Langstrumpf oder im oben genannten Film ist für mich schon seit Kindertagen ein Traum, der sich bis jetzt noch nicht erfüllt hat. 🤷♀️ Ich habe mir fest vorgenommen, dass es nicht mein letzter Besuch des Museo de Ciencias Naturales war. Expeditionsberichte von Moreno und Ameginho stehen schon ganz oben auf meiner Bücherliste. Auch wenn wir bald zu Hause sind, werden mich diese zwei Männer noch ein wenig beschäftigen. Naja wohl eher, die drei Männer, um Flo neben den ganzen Schwärmereien für die bärtigen, längst verstorbenen Männer nicht zu vergessen. 🥰



































