# 46 BAHIA BLANCA, MAR DEL PLATA

Dezember 2022

Als wir in der Ferne die ersten Hochhäuser von Bahia Blanca sehen steht fest: Adios Patagonia! Hola Zivilisation!

Auf den 2.500 Kilometern von Ushuaia bis hier her haben wir keinen großen Ort mehr besucht. Die wenigen Gemeinden an der Ruta 3 liegen abseits der Straße, um sie zu besuchen muss man meist 100 bis 200 Kilometer Umweg in Kauf nehmen. Dieser Aufwand ist es uns aber hin und wieder Wert – so entfliehen wir der öden Gegend im Landesinneren und erkunden die atemberaubende Küste. Gerne hätten wir noch weitere verschlafene und friedliche Küstenorte besucht, aber wiedermal ist es uns nicht möglich ALLES zu sehen, die Distanzen hier sind einfach zu groß. Das Problem mit den großen Entfernungen spüren wir auch anderorts, vor allem bei den Tankstellen. Wenn dann doch mal eine auftaucht, fahren wir immer rechts ran und tanken voll. Man weiß ja nie genau wann die nächste kommt und ob Diesel verfügbar ist. Bei dieser Gelegenheit wird nicht nur der Tank gefüllt, auch wir suchen das stille Örtchen auf. Da die Tankstellen aber meist rar sind muss dann unterwegs für den Toilettengang doch meist ein Busch am Fahrbahnrand herhalten. Von denen gibt es in der patagonischen Steppe wenigstens genug 😊. Beeilen muss man sich immerhin auch nicht, oft kommt uns minutenlang kein anderes Auto entgegen. Wahrscheinlich ein skurriler Moment, aber genau hier fällt mir wieder mal auf wie einsam das argentinische Patagonien ist. In diesem Augenblick, mit heruntergelassener Hose, Blick in die endlose Weite meine ich der einzige Mensch auf der Welt zu sein. Bis ich ruckartig durch das laute Autoradio und die grauenvoll gesungenen Wild-Culture-Textzeilen von Flo wieder in die Realität zurückgeholt werde.

Aber genug von Patagonien, jetzt sind wir in der Provinz Buenos Aires angekommen. Genauer gesagt in der Stadt Bahia Blanca mit ihren stolzen 300.000 Einwohnern. Wir finden einen Stellplatz am Camping Municipal der leider wieder mal völlig verdreckt ist, da würde ich den einsamen Busch in der Steppe haushoch bevorzugen. Aber es ist wie es ist, wie so oft machen wir das Beste aus der Situation, jammern nicht (naja, ich jammere ein wenig) aber ziemlich schnell haben wir entschlossen so viel Zeit wie möglich draußen und in der Stadt zu verbringen. Wenn dann abends die Dusche ansteht wird wieder mal ein Auge zugedrückt und das Hirn ausgeschaltet, so gehen dann auch die Nächte vorüber. Am Morgen stehen wir sowieso schon wieder in den Startlöchern und erkunden die Stadt. Bestaunen die Kathedrale, das Theater, wunderschöne Parks und den besonders „wüaschta“ Funkmast, der auf einem Hochhaus thront und präsent über allen anderen Gebäuden steht, und kurzerhand allen bedeutenden Wahrzeichen der Stadt die Show stiehlt. Leider gibt es hier nicht mehr sonderlich viel zu entdecken, nach einem lustigen und sehr langen Abend mit zwei neuen holländischen Bekanntschaften entscheiden wir uns am nächsten Tag aufzubrechen.

Wir fahren weiter nach Mar del Plata, der Ort der für die Argentinier den gleichen Stellenwert wie Mallorca für die Deutschen hat. Normal zählt die Stadt 500.000 Bewohner, aber zur Hauptsaison verdoppelt sich die Einwohnerzahl auf 1 Millionen Menschen. Insgesamt werden hier im Jahr unglaubliche 3 Millionen Touristen beherbergt. Hier am beliebtesten Strand- und Partyort des Landes geht auch in der Vorsaison bereits die Post ab. Flo und ich werden dem Ruf dieser Stadt allerdings absolut nicht gerecht. Unser Aufenthalt ist ziemlich untypisch für Mar del Plata. Party und Drinks interessieren uns wenig, da wecken die unzähligen und exzellenten Eidieseln schon eher unsere Aufmerksamkeit. Sommer, Sonne, Sonnenschein können wir nur an einem einzigen Tag genießen, ansonsten ähnelt das Wetter eher dem herbstlichen Innerbraz. Auch hier bleibt uns nichts anderes übrig, wohl oder übel erkunden wir in Regenjacke die Stadt, spazieren barfuß mit eiskalten Füßen den Strand entlang und beobachten stundenlang die mutigen Surfer, die sich trotz kühlem Nass die besten Wellen nicht entgehen lassen wollen. Wir besuchen einige alte, prunkvolle Villen die von glänzenden, vergangenen Zeiten berichten. Plötzlich macht der Ortsname „Mar del Plata“ „Silbermeer“ plötzlich Sinn. Prunk und Protz soweit das Auge reicht, erstaunlicherweise für jedermann zugänglich und unglaublich gut erhalten. Wir freuen uns über die gut restaurierten Gebäude. Altertümliche und Koloniale Bauten haben in Südamerika normalerweise ein Ablaufdatum, man kann dem Zerfall live zuschauen. Hier bröckelt der Putz, da ist das Dach undicht und alles Wertvolle wurde üblicherweise sowieso schon lange entwendet. Nicht so in Mar del Plata. Aber nicht nur das ist kurios, auch am Hafen erwartet uns ein ungewöhnlicher Anblick. Hier haben es sich hunderte Seelöwen gemütlich gemacht. Den Forschern ist nicht klar, warum sich hier vorwiegend männliche Exemplare aufhalten. Eine einmalige Anomalie auf der Welt. Wir genießen das besondere Schauspiel, die unter uns kuschelnden Seelöwen, im Hintergrund die bedeutende Hafenanlage und in der Ferne die Skyline von Mar del Plata. Flo rümpft hier aber ähnlich wie am Fischmarkt die Nase und verzieht das Gesicht. Zugegebenermaßen ist der Geruch wirklich sehr penetrant, ob das an den Seelöwen liegt oder an dem Fakt das sich hier besonders viele Seelöwen-Männchen aufhalten, sei dahingestellt. 😉

Wir verlassen nach einer Woche voller Regenwolken und wenig Sonnenschein das Palma von Argentinien und machen uns auf nach La Plata. Einem Vorort von Buenos Aires um danach möglichst schnell in die Hauptstadt mit dem klangvollen Namen weiterzureisen. Hoffentlich folgen uns die dicken, dunkeln Wolken und der strenge Seelöwen-Geruch nicht bis dahin.



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