# 45 PENINSULA VALDES, BALNEARIO DEL CONDOR

November 2022

Wir stehen am Eingangstor der Halbinsel Peninsula Valdes und tuscheln im Auto auf Deutsch rum, während der Parkranger ungeduldig auf unsere spanische Antwort wartet. Es stürmt wie verrückt und der Wind peitscht von allen Seiten. Eigentlich waren wir fest entschlossen die Halbinsel zu besuchen, allerdings ist das Wetter grauenhaft und der Parkranger hat uns mit seiner Aussage noch zusätzlich verunsichert. Er meint, die Dreckstraßen auf Valdes bestehen hauptsächlich aus Sand und bräuchten mindestens 2 Tage um trocken zu werden, daher sei die Strecke für die kommenden Tage noch gesperrt. Leider bringt der Wetterbericht auch nicht wirklich Besserung. Jetzt sitzen wir im Bus und wissen nicht ob wir den Ausflug trotz den schlechten Voraussetzungen wagen sollen.

Nach kurzer Besprechung steht fest, wir versuchen es. Also machen wir uns auf in das einzig bewohnte Dorf auf der Halbinsel und kommen an dem Campingplatz in Puerto Piramides unter. Als wir am nächsten Morgen aufstehen, ist das Wetter wie angekündigt immer noch nass und kalt. Also bleibt uns nichts anderes übrig als die kleine Ortschaft zu erkunden, den Tag rum zu kriegen und fest zu hoffen das es morgen besser aussieht. Und unser Hoffen und Bangen scheint Wirkung zu zeigen, gegen den Abend verziehen sich die ersten Wolken, später hört es komplett auf zu regnen nur der Wind bläst noch wie verrückt. Das ist aber sogar erwünscht, dank dem Wind kann der Boden schneller trocknen. Am nächsten Morgen um 9 Uhr steht überraschend fest: die Straße ist offen! Wir sind erleichtert das die Strecke doch schon freigegeben wurde, also machen wir uns gleich auf um die Insel zu erkunden. Bereits die 70 Kilometer lange Strecke bis zur Ostküste von Valdes ist sehenswert. Wir entdecken unsere altbekannten Weggefährten: Nandus, Guanacos und Gürteltiere. Aber überrascht sind wir als immer wieder handflächengroße Taranteln über die Fahrbahn huschen. Leider können wir einer Tarantel nicht mehr ausweichen und überfahren sie, somit haben wir nach knapp 25.000 Kilometern eine Tarantel und einen Vogel auf dem Gewissen.😔 Schon zwei zu viel erwischt, aber wir hoffen inständig das es für die restliche Reise bei den zwei „Wild-Unfällen“ bleibt.

An der Küste angekommen entdecken wir schon die ersten Magellan-Pinguine, die hier genauso wie in Monte Leon gerade ihre Eier ausbrüten. Es ist so wundervoll diese für uns so fremden Tiere in freier Wildbahn sehen zu dürfen. Wir sind ganz entzückt von ihrem unbeholfenen Gang an Land und ihren geschickten Manövern im Wasser. Nach dem wir den Pinguinen eine Weile beim rumtollen zugeschaut haben, ist es Zeit, die Flut setzt ein. Mit der Flut sollen auch die Schwertwale zur Jagd an Ufernähe kommen. Wir fahren ein Stück weiter zu einem Aussichtspunkt und die Orcas lassen nicht lange auf sich warten. Bereits nach einigen Minuten schwimmt die erste Orca-Schule an uns vorbei. Ich bin komplett „us am Hüsle“. Wir haben wieder mal unglaubliches Glück können nach so kurzer Wartezeit gleich 5 Orcas entdecken. Es ist beeindruckend wie die schwarz-weißen Meeresbewohner abwechselnd ihre gewaltige Rückenflosse präsentieren, untertauchen und dann mit einem lauten Zischen ausatmen und auftauchen. Leider ist das Spektakel von kurzer Dauer, sie schwimmen relativ zügig an uns vorbei und verschwinden wieder im endlosen Blau. Da nutzen wir die Gelegenheit und fahren nochmal 40 Kilometer weiter an die Nordküste, hier geht das Naturschauspiel weiter und wir können neben Seelöwen auch riesige Seeelefanten beobachten. Mit ihrem fleischigen Rüssel im Gesicht sind sie wahrscheinlich nicht die ansehnlichsten Tiere aber auf alle Fälle ein gewaltiger Anblick. Mit einem Gewicht zwischen 2 und 4 Tonnen bringen die Männchen ungefähr so viel auf die Wage wie unser Bus. Wir genießen die unberührte Küste, beobachten Flora und Fauna aber langsam müssen wir wieder zurück nach Puerto Piramides. Das Wildcampen ist auf der Insel verboten, daher müssen wir wieder 70 Kilometer auf der Dreckpiste retour zum Campingplatz. Obwohl wir morgen genau die gleiche Strecke auf uns nehmen müssen, entschließen wir blitzschnell noch einen Tag zu verlängern. Vielleicht haben wir morgen wieder Glück und können die Orcas nochmal bestaunen.

Am nächsten Morgen ist das Wetter glücklicherweise wieder gut und wir fahren als Erstes zu einem Mirador am Guelfo Nuevo. Hier ist der Lebensraum der Südkaper. Diese Bartenwalart kommt in der zweiten Jahreshälfte hierher, um sich fortzupflanzen und ihre Jungen zur Welt zu bringen. Ich weiß ihr könnt das Wort „Glück“ wahrscheinlich nicht mehr hören, aber wir haben einfach wieder Glück. In der Ferne können wir zwei Südkaper entdecken, eine Mutter und ein Junges. Das erste Mal in unserem Leben, dass wir die gigantischen Meeresbewohner sehen können, wir sind wirklich sprachlos und fasziniert. Leider tauchen die zwei relativ schnell wieder ab, ich denke sie fühlen sich gestört, als ein Walbeobachtungsboot immer näher um sie kreist.

Wir fahren von Westen wieder nach Osten und halten an einem Mirador um auf Orcas zu hoffen. Pünktlich zur Flut stehen wir da und warten circa 30 Minuten, schon wieder tauchen die räuberischen Meeresbewohner auf. Sie ziehen an uns vorbei, wir schießen ein paar Fotos und versuchen nebenbei den Augenblick möglichst tief in unserem Gedächtnis zu verankern. Die Orcas schwimmen der Küste entlang weiter Richtung Norden und wir entdecken einen kleinen Fußweg durch die Pampa und laufen an Land neben ihnen her. Naja laufen ist ein wenig geflunkert, eigentlich müssen wir joggen um mit ihrem Tempo mithalten zu können. Wir kommen an einer Bucht an und hier stehen schon zwei Profi-Fotografen. Ein Argentinier und ein Franzose, nachdem ich mit ihnen mein Kit-Kat geteilt habe und ein paar Worte ausgetauscht habe sind wir gleich Freunde. Die zwei kennen sich mit dem Verhalten der Orcas bestens aus, als wir wie die anderen Touristen wieder retour laufen wollen, meinen die zwei wir sollen mit ihnen warten. Mit ein wenig Glück kommen die Orcas nach einiger Zeit wieder retour um die hier am Strand lebenden Seelöwen zu jagen. Und es tritt genauso ein wie es die zwei erfahrenen Fotografen es vorausgesagt haben. Die Orca-Schule taucht wieder in der Bucht auf und kommt unglaublich nah an den Strand. Zwei Schwertwale versuchen sogar einen Raubversuch und lassen sich komplett an Land schwemmen. Zum großen Glück der Seelöwen war der Angriff erfolglos. Ich dachte gestern das ich aus „us am Hüsle“ war als ich die Orcas vorbeischwimmen gesehen habe, aber dass dieses Erlebnis noch zu toppen war hätte ich nie für möglich gehalten. Wir bedanken uns von Herzen bei dem zwei Fotografen, dass sie ihre Erfahrung mit uns geteilt haben und wir dank ihnen diese Naturspektakel miterleben durften.

Generell verlassen wir die Halbinsel Valdes unglaublich dankbar. Es klingt vielleicht ein bisschen verrückt, aber ich habe oft das Gefühl das uns jemand auf dieser Reise leitet und begleitet. Immer wieder treffen wir aus einem Bauchgefühl Entscheidungen, die sich oft als richtig herausstellen. Eigentlich sind wir sehr blauäugig, ohne großen Plan an die Reise rangegangen und hatten dennoch immer wieder Glück zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Hier hatten wir einerseits mit der schnellen, nicht vorhergesagten Besserung vom Wetter unglaublich Glück, dann sehen wir gleich an beiden Tagen Orcas, entdecken Südkaper-Wale und dann sind da auch noch die ganzen wunderbaren Inselbewohner an Land. Wir sind überwältig und können unser Glück kaum fassen. Als ich erfahre das der französische Schriftsteller Antoine Saint-Exupéry einige Zeit in Argentinien lebte und ausgerechnet Peninsula Valdes eine Inspirationsquelle für sein Buch „Der kleine Prinz“ war, schließt sich für mich der Kreis. Dieses kleine Büchlein mit den besonderen Zeilen, die unserer Familie so viel bedeuten, genau das Buch das uns schon durch allerlei Lebenslagen begleitet hat, hat ihren Ursprung hier auf dieser Halbinsel. Hier wo uns das Glück auf Schritt und Tritt begleitet hat. Zufall oder nicht. Es hat Flo und mich sehr berührt.

Als ob die Tage auf Peninsula Valdes noch nicht genug Tiere für uns bereitgehalten hätte, überrascht uns der kleine Badeort Balneario del Condor mit einem weiteren Naturschauspiel. Hier leben nicht wie man, wegen des Namens annehmen könnte Condore, sondern Felsenpapageie. Genauer gesagt die größte Papagei-Kolonie der Welt mit mehr als 70.000 Vögeln. Die Kolonie erstreckt sich über 9 Kilometer Steilküste aus Sandstein in denen die Papageie ihre Höhlen geschlagen haben. Als endlich die Ebbe einsetzt können wir den Strand betreten und die schier endlose Felswand der Papageien bestaunen. Wir genießen es die farbenfrohen Vögel zu beobachten und sind überrascht das ein so wundervoller Platz, voll mit Superlativen in einem doch so kleinen verschlafenen Badeort zu finden ist.

Peninsula Valdes

Balneario del Condor


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# 44 MONTE LEON, PIEDRA BUENA, PUERTO DESEADO