# 44 MONTE LEON, PIEDRA BUENA, PUERTO DESEADO

November 2022

Ein mulmiges Gefühl in meinem Bauch – bevor wir die letzte Fähre in Südamerika nehmen. Flo meint es ist Zeit und nun soll ich mal den Bus auf ein Boot manövrieren. Bis jetzt habe ich mich immer vor den steilen Fährenauffahren und den ungeduldigen Einweisern gedrückt und Flo saß meistens am Steuer. Aber jetzt bin ich an der Reihe, die Klappe hat noch nicht mal das Ufer berührt aber das Bord-Personal fuchtelt schon angespannt rum, ich soll losfahren. Angekommen auf der Ladefläche, nur wenige Zentimeter zum Vordermann stelle ich nun den Motor ab, war dann doch nicht so schwer wie angenommen. An die Größe von unserem Bus habe ich mich mittlerweile schon gewöhnt, allerdings bekomme ich beim rückwärts einparken, Rushhour und Fährenauffahrten immer noch schwitzige Hände. Mein kleiner Toyota passt wahrscheinlich 3-mal in den Bus, daher habe ich immer ein wenig Respekt. Aber Flo traut mir zum Glück einiges zu und bringt mich immer wieder dazu über meinen Schatten zu springen. Außerdem beharrt Flo darauf das ich mit Abstand die beste Autofahrerin der Familie Bargehr bin, naja zumindest diejenige mit den wenigsten Schäden am Fahrzeug. 😂 Nach der kleinen Herausforderung wartet nun die Ruta 3 auf uns. Wir lassen Feuerland hinter uns und sind nun wieder auf dem Festland von Argentinien unterwegs.

Ruta 3, die Küstenstraße. Klingt gewaltig. Die Route selbst ist aber ziemlich langweilig. Wenn man einen Kilometer fährt, kennt man schon die nächsten 100 Kilometer. Die Strecke ist sehr eintönig, es geht schnurgerade über die Pampa. Nur die tausenden Guanakos rütteln uns immer wieder wach. Besonders dann, wenn sie gefährlich nah am Straßenrand stehen und in letzter Sekunde noch vor dem Bus die Straße überqueren. Dann hilft nur: bremsen. Wo ein Guanako ist, können seine Kameraden nicht weit sein. Die Landschaft hier ist relativ öde, braunes Gras, graugrüne Sträucher und trockener Boden soweit das Auge reicht. Aber bei näherem Hinsehen werden wir immer wieder aus der Trostlosigkeit geweckt. Wir sind überrascht und überglücklich als wir innerhalb von 20 Kilometern zuerst ein patagonisches Stinktier und dann noch ein riesiges Gürteltier sehen. Auf der menschenleeren, geraden Straße wird man dazu verleitet schnell zu fahren, als wir irgendwas Rundes in der Ferne sehen bremsen wir runter, aber stehenbleiben geht sich nicht mehr aus. Erst als wir näherkommen, sehen wir das ein großes Gürteltier hier auf der Straße sitzt. Es erschrickt mindestens so wie wir selbst und bleibt wie versteinert auf der Straße sitzen. Zum Glück haben Jo und Flo zu Hause den Bus höher gelegt, so können wir das Gürteltier überrollen ohne dass es einen Schaden davonzieht. Naja- außer vielleicht einen gigantischen Schreck. 😏

Aber das soll nur ein Vorgeschmack sein auf die wunderbare Tierwelt die wir hier noch entdecken dürfen. Nachdem wir in Puerto Santa Cruz vergeblich an mehreren Orten nach einer Dusche suchen, fahren wir dann doch nach Piedra Buena. Ein kleiner, netter Ort der an einem breiten Fluss liegt und daher mit einer grünen Oase mitten in der trostlosen Pampa überrascht. Auch die Temperaturen sind unerwartet, nach einigen kalten Monaten knacken wir zum ersten Mal die 30 Grad. Wir sind sehr erleichtert, dass die Daunenjacke endlich im Kasten verstaut werden kann. Nur die herzige Oma am Campingplatz bringt uns zum Schmunzeln. Obwohl Sommertemperaturen die Tage bestimmen läuft die Gasheizung im Bad durchgehend. Wenn man die Türe zur Dusche öffnet, fällt man fast nach hinten um, hier drinnen muss es mindestens 40 Grad haben. Sooooo lange hätten wir uns nach einem warmen Badezimmer oder zumindest einer heißen Dusche gesehnt und ausgerechnet hier wo es sowieso schon warm ist wird auf Teufel komm raus geheizt. 😊🙉 Rosalia, die Oma am Campingplatz umsorgt uns wie unsere eigenen Omas zu Hause, da werden wir doch ein wenig wehmütig, aber nicht mehr lange dann können wir unsere Omas wieder in dem Arm schließen. Bis dahin genießen wir die Küste und Pampa von Argentinien. Für uns geht es in den Parque Nacional Monte Leon, nachdem uns der Parkranger alle Hinweise und Verhaltensregeln zu den hier lebenden Pumas gegeben hat laufen wir los. Jedoch immer mit der Bedrohung im Nacken, Flo amüsiert sich köstlich, weil ich mich gefühlt jede Minute in alle Richtungen umschaue. Auch wenn es eine tolle Geschichte und eine unvergessliche Erfahrung wäre, will ich auf keinen Fall einen Puma treffen. Wir wandern die wunderschöne Küste entlang, entdecken etliche Eidechsen und Guanakos. Auch eine Nandu-Familie mit unglaublichen 14 Jungen treffen wir. Aber das Ziel sind die Magellan-Pinguine am Ende des Weges. Kurz vor dem Ziel sehen wir einige Puma-Opfer: gerissenen Pinguine, Knochen und Kadaver. Kurz nach dem Pinguin-Friedhof entdecken wir dann aber endlich quickfidele Tiere. Die Pinguine brüten aktuell ihre Eier aus, die meisten Tiere sitzen gemächlich auf der Brut in Erdhöhlen und Vertiefungen im Boden. Andere sind auf Nahrungssuche im Wasser und tummeln sich am Strand. Wir verweilen hier eine ganze Weile und beobachten die witzigen Tiere, sogar die Puma-Gefahr ist für eine Zeit lang völlig vergessen. Die Patagonia-Safari geht weiter und wir entdecken neben Kormoranen auch noch einige Seelöwen aus der Ferne. Wir sind unglaublich dankbar, die für uns so fremden Tiere in ungestörter, freier Wildbahn sehen zu dürfen. In dieser trostlosen Gegend gibt es überraschenderweise doch noch viel zu entdecken. Auch mein anfänglicher „Elender“, weil hier alles so eintönig scheint, ist mittlerweile wie weggeblasen. Als wir dann auch noch ein Tal, das 107 Meter-UNTER-Meeresgrund liegt, bestaunen dürfen und im Anschluss in Puerto Deseado das Ferrocarril-Muesum besuchen können bin ich fasziniert vom argentinischen Teil von Patagonien. Dieser Ort ist voller Geschichte, leider ist der Glanz von vielen Ortschaften verblasst. Neugierig wie ich bin, versuche ich aber so viel wie möglich von der vergangenen Zeit herauszufinden. Die Eisenbahn brachte der Region Reichtum und Arbeit. In einem Personalbuch der ehemaligen Eisenbahnlinie finde ich einen Eintrag, eines Österreichers der beim Bau der Eisenbahn beteiligt war. Schön zu sehen das es auch schon damals mutige Menschen gab, die sich ins Ungewisse gewagt haben. Wir machen es ihm nach und tasten uns weiter auf der Ruta 3 vor, das nächste Ziel ist die Halbinsel Valdes, die hoffentlich mit etlichen Meeresbewohnern auf unsere Ankunft wartet. 🙏

Nationalpark Monte Leon

Piedra Buena, Puerto Deseado

Ruta 3


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