#40 LOS ANTIGUOS, EL CALAFATE
Oktober 2022
Endlich müssen wir unsere Daunenjacke nicht mehr verschlossen bis zum Kinn tragen und die Kappe kann im Kasten verstaut werden – aber nicht allzu weit weg – bald werden wir sie wieder brauchen. Vorerst sind wir aber wieder in Argentinien angekommen. Der großartige General Carrera See überspannt die Grenze zwischen Chile und Argentinien – auf der argentinischen Seite wird dieser als Lago Buenos Aires bezeichnet. Hier am Lago Buenos Aires werden wir mit mildem Klima überrascht, was für uns eine willkommene Abwechslung zum letzten nassen, kalten Monat ist. Er ist der zweit größte See in Südamerika, angeführt vom Giganten Titicacasee. Wir kommen jetzt am Ufer des Sees am Camping Municipal an. Flo schließt gleich Freundschaft mit einer mageren Katze. Oft denke ich an Mama die uns hier wahrscheinlich umgebracht hätte, wenn wir irgendwelche fremden Katzen streicheln. Aber solange sie nicht komplett verwahrlost aussieht, hat Florian überhaupt keine Hemmungen, gleich wird der Kühlschrank geplündert und ein Leckerbissen gefunden. Mit dem Satz „Mai luag amol des arme Minzile“ sind auch alle Floh- und Ungeziefer-Gefahren vergessen. Da ich die Rosi-Katzen-Gehirnwäsche erhalten habe, bin ich da eher vorsichtig. Aber dieser Gato hat es uns beiden angetan, er ist allerliebst. Er schläft die ganze Nacht geduldig vor unserer Türe und wartet bis wir morgens aufstehen, dann schmeichelt er uns abwechselnd um die Füße. So startet jeder Morgen mit einem Lächeln - heute stehen einige Erledigungen an. Da jemand (namens Flo 😊) unsere alte Sim-Karte aus Argentinien verloren hat muss jetzt eine neue besorgt werden, der Bus verlangt schon sehnsüchtig eine Total-Wäsche und die Reifen sollen umgesteckt werden. Auf geht´s. Allerdings stellt sich schon das erste Vorhaben als schwierig heraus. In Argentinien ist es ähnlich wie in Brasilien, man braucht seine Steuernummer für fast alles. Auch um eine Sim-Karte zu aktivieren, in Brasilien war das nie ein Problem, da ich einfach meine eigene verwendet habe. Aber in Argentinien müssen wir fremde Menschen um ihre Nummer bitten, bis jetzt hat uns der Verkäufer immer unkompliziert seine eigene eingetippt. Nicht so in Los Antiguos – niemand will uns seine Nummer aushändigen. Wir klappern einige Minimercados ab bis uns endlich jemand hilft, eine nette junge Mutter erledigt in wenigen Sekunden die Aktivierung, wir sind heilfroh und ihre Tochter freut sich über eine Schokolade. Allen ist geholfen, also geht’s weiter zur Gomeria – um unsere Reifen von vorne und hinten zu tauschen, damit sie gleichmäßiger abgefahren werden können. Die Reifen werden unter Flo´s wachsamen Augen umgesteckt, natürlich dauert es nicht lange bis er selbst im Staub kniet und dem jungen Mechaniker hilft. Ich bin sehr dankbar das Florian da ist, um bei diesen Prozessen dabei zu sein, von denen ich so wenig verstehe. Nebenan steht ein Kärcher – perfekt - das nutzen wir und das Auto bekommt nach der langen Schotterstrecke eine längst überfällige Wäsche. Endlich blitzt der Bus wieder weiß, die Reifen wurden fachmännisch montiert und das alles nur für 7 Euro. Langsam müssen wir uns vom lieben Gato und dem schönen Ufer des Lago Buenos Aires verabschieden und fahren weiter Richtung Süden. Nun aber auf der argentinischen Seite Patagoniens. Diese ähnelt so gar nicht der von Chile. Die trockene Steppe ist ein krasser Kontrast zu der schroffen Bergwelt im Westen. Kilometerweit nur Pampa, hunderte Schafe, Guanacos, Nandus und Flamingos. Steine und Sand so weit das Auge reicht. Auf halber Strecke wollen wir die berühmte Cuevas de las Manos besuchen, die mysteriöse Höhlenmalerei mit den Handabdrücken. An der Straße steht schon ein Schild CERRADO, anscheinend sollen die Höhlen geschlossen sein. Wir trauen den Südamerikanern in diesem Punkt aber nicht ganz, vielleicht haben vergessen das Schild zu entfernen? Also verlassen wir die Ruta 40 und fahren ein wenig abseits zum Ausgangspunkt der Höhle, aber hier erfahren wir von einem netten Mann das die Höhle aufgrund eines Felssturzes wirklich nicht begehbar ist. Schade, aber da kann man nichts machen, auch solche Situationen gehören zu unserer Reise. Es wird nicht immer alles Wirklichkeit was wir uns vorgenommen haben, da wir aber relativ planlos unterwegs sind ist das für uns keine große Sache. Wir haben keinen fixen Zeitplan oder sonstige Verpflichtungen, das nimmt viel Wind aus den Segeln. Mittlerweile haben wir uns damit abgefunden das wir nicht ALLES sehen können, die Länder hier sind einfach riesig, es gibt etliche Sachen zu entdecken, auch wenn man hier jahrelang reist schafft man nicht alles. Dennoch genießen wir jede einzelne Erfahrung, jede Begegnung und jeden Ort den wir sehen dürfen. Also fahren wir weiter Richtung Süden, bestaunen das bekannte Fitz-Roy-Massiv und schlagen unser Lager in El Calafate auf. Dieser Ort ist super touristisch und besteht wahrscheinlich nur wegen dem Gletscher nebenan. Also machen wir es den anderen Touris gleich und besuchen den Perito Moreno Gletscher, allerdings fahren wir ganz früh los um den Massen zu entkommen. Auch wenn dieser Ort mittlerweile sehr touristisch geprägt ist sind wir sprachlos als wir diesen gewaltigen Gletscher zum ersten Mal sehen. Er ist 30 Kilometer lang, 3 Kilometer breit und besitzt eine 170 Meter dicke Eisschicht. Außerdem ist der Perito Moreno einer der letzten drei Gletscher weltweit die nicht zurückgehen, er vereist konstant und kann seine Größe permanent behalten. Wir spazieren jetzt die Stege entlang um den Gletscher von allen Seiten beobachten zu können, besonders von unten erkennt man die 70 Meter hohe Gletscherzunge und seine unglaubliche Größe. Ich kann mich nicht satt sehen an diesen Farben, die ich so nie zuvor gesehen habe – nicht Dunkelblau, nicht Himmelblau, nicht Türkis, nicht Weiß – letztlich muss ich es wahrscheinlich Gletscherblau nennen. Diese Farben ändern sich dann auch noch im minutentakt, die Sonne zaubert ein beeindruckendes Lichtspiel. Kalben, kann man das was wir sehen bestimmt nicht nennen. Alle paar Minuten krachen kleine Eisbrocken in den See – und obwohl es im Vergleich nur winzige Stücke sind – geschieht das mit einem gewaltigen Krach. Unvorstellbar wie es hier im Sommer sein muss, wenn die Temperaturen hoch sind und der Gletscher wirklich kalbt. Von diesem Ereignis erzählt uns der Schweizer Rolf, den wir mit seiner Partnerin Yvette kennenlernen dürfen. Er reiste selbst vor 35 Jahren durch Südamerika und besuchte damals auch den Perito Moreno, natürlich hat sich in seit diesen Jahren viel getan. Der Ort ist mit dem heutigen nicht mehr zu Vergleichen. Wir bewundern seinen Mut damals so weit gereist zu sein und die heutige Entschlossenheit von den Zweien sich erneut in solch ein Abenteuer zu stürzen. Eine schöne Vorstellung in vielleicht 35 Jahren gemeinsam wieder diese Reise zu unternehmen… Aber das bleibt vorerst nur ein Tagtraum, zuerst wollen wir das hier und jetzt zu genießen. Wir verlassen diesen Ort mit unvergesslichen Erinnerungen, viel Ehrfurcht vor der Natur, einigen vergeudeten Nerven bei der Bargeldbeschaffung, wunderbaren Gesprächen ohne Hochdeutsch-Anstrengungen im Dialekt und liebenswerten, neuen Bekanntschaften. 🥰
Los Antiguos











El Calafate





