#38 PUCON, VALDIVIA
September 2022
Tinela! Das Erste an was mir durch den Kopf schießt, als wir bei unserer Unterkunft in Pucon ankommen. Während zwei Hunde am Camping-Einfahrtstor mit wild wedelndem Schwanz auf uns zu rennen, liegt hinten ein gemütlicher Bernhardiner der nur kurz den Kopf hebt und diesen dann gleich wieder auf seinen Pfoten ablegt. Innerhalb von Sekunden erwachen in mir etliche Kindheitserinnerungen mit dem legendären Rössle-Hund Tinela. Oder besser gesagt eine von vielen sagehaften Tinelas. Auch wenn uns der Bernhardiner gelangweilt seine kalte Schulter zeigt, könnte die Begrüßung nicht schöner sein. Wir fühlen uns direkt wohl im schönen Pucon und Flo ist überglücklich, dass wir endlich im Norden von Patagonien angekommen sind. Erstaunlicherweise lässt uns sogar der schneebedeckte, konstant rauchende Vulkan Villarrica ziemlich gelassen. Als jedoch früh morgens die Sirene in voller Lautstärke abgeht, schrecke ich auf, öffne in Sekundenschnelle das Fenster und wage einen verschlafenen Blick Richtung Vulkan. Aber der Berg ist ruhig, scheint doch ein Feuerwehreinsatz gewesen zu sein. Wenigstens hat jetzt Flo am Frühstückstisch was zu lachen, weil ich wieder mal vom schlimmsten Szenario ausgegangen bin. Da wir sowieso schon früh munter sind packen wir unsere Wanderschuhe und wagen uns in den ersten Nationalpark in Chile. Im Parque Huerquehue kommt dann auch das erste Mal richtiges Patagonia-Feeling auf. Als wir zuerst in heftigen Regen und dann, ein paar hundert Höhenmetern später, bei vollem Schneefall vor uns hintappen fühlt es sich an als wären wir angekommen. Die beeindruckenden Wasserfälle entschädigen den nicht-vorhandenen-Ausblick und die menschenleeren Wälder belohnen unsere Strapazen auf dem schlammigen Weg. Gottseidank bessert sich das Wetter in den folgenden Tagen, unsere Ausrüstung kann endlich trocknen und wir sind froh um ein paar wärmende Sonnenstrahlen.
Um zu verstehen wie beeindruckend das schmale Land Chile ist, fasse ich in diesem Bericht gleich beide Orte zusammen. Innerhalb von ZWEI Fahrstunden sind wir vom Ort Pucon in den Bergen in die Stadt Valdivia am Pazifik gelangt. Chile ist unglaublich vielfältig, an einem Tag bestaunt man in Regenjacke die Gipfel und am nächsten Tag kann man mit Sonnenbrille die Seerobben beobachten.
Und genau das wird unser liebster Zeitvertreib in Valdivia. Als wir das erste Mal die Costanera entlang spazieren halten wir natürlich am Fischmarkt. Aber ich kann meinen Augen nicht trauen, direkt hinter den Fischständen warten Seerobben und Seelöwen ungeduldig auf die Abfälle der Fischer. Während die Kundschaft vor dem Stand ihre filetierten Stücke in die Einkaufstüte packt, vertilgen die Robben hinter dem Stand die Fischköpfe und Innereien. Ich könnte hier Stunden verbringen und den erfahrenen Männern beim Fische ausnehmen zuschauen - in einer unglaublichen Geschwindigkeit und Präzision fliegen ihre Messer über die Bretter. Dagegen kann selbst die Rössle-Küchen-Crew einpacken. 😉 Aber in Valdivia gibt es noch etliche andere Sachen zu Entdecken. Wir besuchen einige Museen, die von Ubooten, Kolonisten und Naturforschern erzählen. An den restlichen Tagen spazieren wir durch riesengroße Parks und besuchen die spanische Festung in Corral. Zu unserer großen Freude können wir noch ein Ticket für das Städtische-Festival ergattern. Eigentlich ist dieses schon ausverkauft aber die nette Dame im Rathaus händigt uns noch zwei Bändchen aus. Jetzt können wir nach der langen Corona-Zeit und der ewigen Net-Furtgo-Zeit endlich wiedermal so richtig ausgehen. Auch wenn wir die spanischen Songs nicht kennen, genießen wir die Veranstaltung in vollen Zügen. Nach den vielen Neflix-Abenden mit dem Laptop auf der Bettdecke, vielen Uno-Partien und etlichen Stunden zu zweit auf engsten Raum kommen diese Abende im Dunkeln unter großen Menschenmenge wie gerufen. Aber spätestens als wir am Ende der Nacht durchgefroren den Bus öffnen, freuen wir uns doch wieder alleine unter unsere warme Decke kriechen zu können.
Gut erholt verlassen wir vorerst den Pazifik und die Fluss-Region um Valdivia, wir nähern uns dem südlichen Patagonien. Hier wartet das Abenteuer „Carretera Austral“ auf uns. Wir sind gespannt auf die legendäre Strecke… Mit einem flauen Gefühl im Magen wagen wir uns erneut ins Unbekannte, hoffen das der Bus weiterhin so gut durchhält und wir ohne größere Probleme in Feuerland ankommen. All das gehört ja bekanntlich dazu, wenn man seine Komfortzone verlässt – und Flo ist felsenfest überzeugt das sich diese Überwindung lohnen wird. Ganz nebenbei bekomme ich auch hier wieder mal eine Lektion das nicht immer das schlimmste Szenario eintreffen muss, auch wenn sich in meinem Kopf schon alle möglichen Situationen zusammenbrauen. 🙈 Hoffen wir darauf das Florian recht behalten wird und die Strecke für uns ein Abenteuer und kein Albtraum werden wird! 😄
Pucon















Valdivia













